Рефераты. Zusammenspiel der Realiatete als eines der Hauptprinzipien des Sujetaufbaus im Roman Stiller von Max Frisch






hellichter Purpur, stossweise wie das Blut aus einem schwarzen Stier. Sie

muss sehr duenn und fluessig sein, diese Lava, fast blitzhaft schiesst sie

ueber den Berg hinunter, langsam an Helle verlierend, bis der naechste

Ausguss kommt, Glut wie aus dem Hochofen, lauchtend wie die Sonne, die

Nacht erluechtend mit der toedlichen Hitze, der wir alles Leben verdanken,

mit dem Innersten unseres Gehirns. Das muessten Sie sehen! In unserer

Seele, ich erinnere mich sehr genau, erwacht ein Jubel; wie er sich bloss

im Tanz entspannen koennte, im wildesten aller Taenze,ein Ueberschwang von

Entsetzen und Entzuecken, wie er die unbegreiflichen Menschen, die sich das

warme Herz aus dem Leibe schnitten, erfasst haben mag." (Frisch 1992: 46-

47)

Mit dieser Schilderung ersetzt Stiller zweifelsohne ihm widerliche

Wirklichkeit, stellt fiktive Freiheit dem realen innerlichen Zustand

gegenueber.

"Zuweilen, allein in meiner Zelle, habe ich das Gefuehl, das ich all

dies nur traeume; das Gefuehl: Ich koennte jederzeit aufstehen, die Haende

von meinem Gesicht nehmen und mich in Freiheit umsehen, das Gefaengnis ist

nur in mir." (Frisch 1992: 20)

Die Verwandschaft zwischen Dichtung und Psychoanalyse ist nicht zu

uebersehen: sie haben beide das menschliche Seelenleben zum Gegenstand, was

ganz besonders fuer Frischs Literatur zutrifft. Ein Unterschied besteht vor

allem darin, dass der Psychoanalytiker sich vorwiegend mit dem Seelenleben

anderer befasst, der Dichter dagegen die Figuren, die er darstellt aus

seinem eigenen Innern schoepft. (vgl. Freud 1907: 82)

Die Wirklichkeit liegt also nicht in der aeusseren Biographie; sie

kann nur mit Hilfe vom Erdichteten ausgedrueckt und umschrieben werden. In

seinen Phantasien will sich Stiller selbst erkunden.

2. Parabolische Geschichten in "Stiller"

Das Erzaehler-Ich in "Stiller" instrumentalisiert die Fiktion, um u.a.

seiner Suche nach dem wahren Ich Ausdruck zu verleihen. Das Eintauchen in

die Schichten seines Bewusstseins wird zur Abenteuergeschichte ueber eine

Expedition in eine Grotte. Die Geschichte beginnt wie die anderen Knobel

erzaehlten Geschichten als Abenteuer in Texas, der Erzaehler schildert sich

als Cowboy. Bald jedoch gewinnt die spannende Geschichte von der

Erforschung einer Hoehle eine tiefere Dimension: aus dem "unterirdischen

Arsenal der Metaphern" (Frisch 1992: 165) wird ein Sinnbild des

Unterbewusstseins, in dem der Kampf zwischen Jim und Jim, zwischen dem

alten und dem neuen Ich vor sich geht. Das ist ein klarer Hinweis auf die

Persoenlichkeitsspaltung des Erzaehlers, als auch auf die Todeserfahrung,

die Stiller bei seinem Selbstmordversuch gemacht hat; dies wird noch

deutlicher beim Anblick des Skelettes, wenn der Erzaehler sagt: "[…] ich

[…] musste meinen ganzen Verstand zusammennehmen, um nicht das Skelett,

dass da im runden Schein der Lampe lag, schlechterdings fuer mein eigenes

zu halten" (Frisch 1992: 162) Der schwierige Aufstieg aus der Hoehle ist

ein Symbol fuer die Wiedergeburt des neuen Ich, die Stiller nach seinem

Selbstmordversuch erlebt hat. Vergleicht er seine Erfahrung danach mit

einem Kindheitserlebnis: "[…] als Buben krochen wir manchmal durch einen

Abwasserkanal, das ferne Loch mit Tagesschein erschien viel zu klein, als

dass man je herauskommen koennte" (Frisch 1992: 379), so beschreibt er den

Ausgang der Hoehle mit aehnlichen Worten: "[…] ich sah ein paar Sterne, ein

paar scheinlose Funken in unendlicher Ferne". (Frisch 1992: 160)

Der Preis fuer diese Wiedergeburt ist der Kampf mit seinem 'Alter Ego'

und dessen Vernichtung; von ihm heisst es spaeter: "Ich denke, dieser

Verschollene wird sich auch nicht mehr melden!" (Frisch 1992: 172)

So bestaetigt die Antwort des Erzaehler-Ichs auf die Frage des

Gefaengniswaerters Knobel, ob er die Hauptperson in dieser Geschichte sei,

eben dieses Verfahren, Erlebnismuster in Fiktionen auszudruecken: "Nein,

[...] das gerade nicht! Aber was ich selber erlebt habe, sehen Sie, das war

genau das gleiche - genau." (Frisch 1992: 172).

In aehnlichem MaЯe tragen die Geschichte von Isidor und das Maerchen

von Rip van Winkle die Erfahrung in sich, den Anforderungen einer Rolle

nicht gerecht zu werden. Die beiden sind Heimkehrgeschichten, obwohl Jim

White die Schweiz zum ersten mal bereist: der Heimkehrer ist naemlich

Stiller.

Die erste Geschichte, die das Thema "Heimkehren" anschlaegt ist die

von Isidor. White schreibt sie mit der Absicht nieder, sie Julika zu

erzaehlen, die aus Paris geholt wird, um mit ihm konfrontiert zu werden.

"Eine wahre Geschichte", so betont er ausdruecklich (Frisch 1992: 41); es

ist der erste Hinweis darauf, dass die "kleine Schnurre" (edg) in Beziehung

zu seiner eigenen Problematik steht. Hier kann man zahlreiche Parallelen

zwischen Whites Fiktion und Stillers Realitaet ziehen; erstens durch die

Zahl der Ehejahre, denn auch Stiller und Julika waren neun Jahre

verheiratet, ehe Stiller-wie Isidor- ploetzlich verschwand. Ironisch heisst

es, es sei im Grunde eine glueckliche Ehe gewesen, auch werden beide Frauen

als sehr liebenswert bezeichnet. Noch deutlicher wird die Beziehung

zwischen dem Fiktiven und Realen, als der Erzaehler berichtet, er habe die

Geschichte seiner schoenen Besucherin angepasst, "also unter Weglassung der

fuenf Kinder und unter freier Verwendung eines Traumes […] Isidor gibt,

sooft er auftaucht, keine Schuesse in die Torte, sondern zeigt nur seine

beiden Haende mit Wundmalen" (Frisch 1992: 56). Der Heimkehrer will mit

dieser Geschichte sich und seine Motive Julika verstaendlich machen. Julika

aber reagiert genauso wie Isidors Frau, indem sie mit fast den gleichen

Worten sagt: "Warum hast du nie geschrieben? Wo bist du nur all die Jahre

gewesen?" (Frisch 1992: 59) Mit anderen Worten: sie ist nicht bereit in ihm

einen neuen, gewandelten Menschen zu sehen: "Ach, […] du bist noch immer

der gleiche" (Frisch 1992: 57)

Eine Ehe- und Heimkehrgeschichte ist auch das Maerchen von Rip van

Winkle, das Frisch von Washington Irving uebernommen und fuer seine Zwecke

leicht veraendert hat. Der Heimkehrer nennt sich in diesem Maerchen nicht

White, sondern Rip van Winkle, wodurch eine parabolische Spiegelung

entsteht. Die Ausgangssituation ist in beiden Geschichten aehnlich. Stiller

erkennt sich in Rip van Winkle wieder. Wie dieser ist er in den Augen der

Gesellschaft ein Versager, waehrend seine Frau, ebenso wie Julika, von

allen bedauert und bewundert wird.

Im Grunde ist dieser Rip van Winkle ein "herzensguter Kerl" (Frisch

1992: 72) und ein Fischer, "der nicht um der Fische willen fischte, sondern

um zu traeumen"(edg), und aehnelt so Stiller dem "deutschen Traeumer".

" Rip fuehlte es wohl, dass er einen Beruf haben muesste, und liebte

es, sich als Jaeger auszugeben"(Frisch 1992: 73), doch auf weibliche Tiere

vermag der "Jaeger mit dem Schiessgewehr" (edg) nicht abzudruecken- "stets

hatte er mehr erlebt, als geschossen". (edg).

Sehr wichtig fuer das Verstehen Stillers Intention ist der Schluss der

Geschichte. Rip van Winkle bleibt bei Frisch ein "Fremdling in fremder

Welt" (Frisch 1992: 76), der an seiner Identitaet zweifelt. Auf die Frage,

wer er ist, antwortet er: "Gott weiss es, gestern noch meinte ich es zu

wissen, aber heute, da ich erwacht bin, wie soll ich es wissen?" (edg).

Fast die gleichen Worte gebraucht der Tagebuchschreiber, um seine Situation

zu beschreiben: "Weiss ich denn selbst, wer ich bin?" (Frisch 1992: 84)

Dies schreibt er, kurz nachdem er dem Verteitiger das Maerchen erzaehlt hat

um diesem "aus seinem nachgerade ergreifenden Missverstaendnis meiner Lage

[…] herauszuhelfen" (Frisch 1992: 70) Waehrend aber der heimkehrende White

wider seinen Willen sofort als Stiller identifiziert wird, bleibt van

Winkle selbst gegenueber seiner Tochter unbekannt. Rip van Winkle gelingt

es praktisch wider Willen, was Stiller mit allen seinen Kraeften vergeblich

anstrebt: er kehrt als Unbekannter, als Fremder in sein Dorf zurueck.

Der Tagebuchschreiber erfindet also die Geschichten, um einerseits das

Erwuenschte ans Licht zu bringen, um widerliche Wirklichkeit zu ersetzen

und andererseits um dem Bildnis, dass seine Umwelt von ihm hat, nicht

gerecht zu werden. Er ist auf der Suche nach seiner "Wirklichkeit, denn es

gibt keine Flucht, und was sie mir anbieten, ist Flucht, nicht Freiheit,

Flucht in eine Rolle." (Frisch 1992: 49)

Mit Traeumen verhalte es sich ebenso, in beiden Faellen spielen vor

allem verdraengte Wuensche eine Rolle. Das Erfinden von Geschichten und die

durch Traeume ersetzte Wirklichkeit geben dem Tagebuchschreiber eine

Moeglichkeit sich selbst zwischen dem Fiktiven und Realem zu finden.

2.3 Traeume

Der Roman "Stiller" ist, wie Frisch einmal selbst formuliert hat, "das

Tagebuch eines Gefangenen, der sich selbst entfliehen will" (Bienek 1969:

24) Aber mit Flucht ist nicht nur die Flucht in den Raum gemeint, sondern

eine Flucht vor sich selbst.

Diesen Gedanken wiederspiegeln zwei Traeume von Stiller, die im Rahmen

dieser Behauptung analysiert werden. Der erste ist der sogenannte "Traum

von Militaer". Diesen Traum verursacht eine Fahrt in ein Zeughaus, "um die

soldatische Ausruestung des Verschollenen zu besichtigen" (Frisch 1992:

152)

Im Traum werden vom Tagebuchschreiber die Ereignisse der vergangenen

Woche verarbeitet und so kommen sie dann zum Ausdruck: "Getraeumt: ich

trage den Waffenrock von Stiller, dazu Helm und Gewehr." (Frisch 1992:

174).

Es war tatsaechlich der Fall waehrend des Besuches, dass White

gezwungen war die Militaerausruestung des Verschollenen anzuziehen: "Ich

komme nicht zu Wort. Auch den Waffenrock ihres Verschollenen habe ich

anzuziehen" (Frisch 1992: 154)

"[…] ich sollte meine Unterschrift geben, um den Empfang eines

Gewehres und der neuen Marschschuhe zu bestaetigen." (Frisch 1992: 155)

Nach Freuds These: "Durch den Traum koennen wir manches wissen, was

wir uns weigern, wach zu wissen." (Freud 1945: 66) koennen wir behaupten,

dass jeder Traum seinen Sinn hat. Er sieht in dem Traum einen Vermittler

zwischen dem Unterbewusstsein und dem Bewusstsein. Der Mensch aeuЯert nach

Freud in jedem Traum seinen innersten geheimen Willen, er sieht den Traum

als "Hueter des Schlafes".

Uns auf den Freudschen Gedanken stuetzend, koennen wir behaupten, dass

das ausschlaggebende in diesem Traum, in dieser Wirklichkeitsbewaeltigung

die Tatsache ist, die Stiller spaeter in seinen Aufzeichnungen

protokolliert.

"Es ist komisch, nicht einmal im Traum fuehle ich mich als Mitrailleur

Stiller" (Frisch 1992: 174)

Dieser Satz zeugt davon, dass Stiller sogar in Traeumen den Gedanken

nicht aufgibt von der Wirklichkeit zu fliehen, ihm aufgezwungene Realitaet

loszuwerden und sich selbst ein Fremder zu sein.

Dieser Flucht von der Wirklichkeit und vor allem vor sich selbst

liegt das Gefuehl zugrunde, in allem ein Versager zu sein.

" Ich bin kein Mann. Jahrelang habe ich davon getraeumt: ich moechte

schiessen, aber es schiesst nicht- ich brauche dir nicht zu sagen, was das

heisst, es ist der typische Traum der Impotenz". (Frisch 1992: 269)

Der Traumdeutungstheorie von Sigmund Freud zufolge lassen sich Traeume

mit Hilfe ihrer Symbole verstehen. Die letzten sind mehrdeutig und koennen

verschiedene Bedeutungen haben.

Zum Beispiel Traeume, die eine Flucht beinhalten, haben im Gegensatz

zu den meisten anderen Traumbildern haeufig ein eindeutig negatives Bild,

denn auf der Flucht wird sich kaum jemand wohl fuehlen. Auf der anderen

Seite kann dieses Traumbild auch darauf hindeuten, dass man sein Leben zu

wenig selbst in die Hand nimmt, seine Kraefte unterschaetzt und nicht zu

kaempfen wagt. So unangenehm Fluchttraeume sind, so beinhalten sie doch

stets auch einen positiven Aspekt, da Flucht stets auch eine Loesung

darstellt.

Der Gegenpol zum Fluchtbild ist das Bild des Kampfes, das in Traeumen

in vielen Variationen auftaucht. So kann man davon traeumen, verbal mit

jemandem zu kaempfen, also zu streiten, man kann sich in

Handgreiflichkeiten verwickelt sehen, oder man kann von Krieg traeumen.

Diese Symbolik ist besonders fuer die Interpraetation des Traums von

Stiller wichtig. Normalerweise wird Kampf als ein Konflikt mit sich selbst

gedeutet; man hegt einander widersprechende Gefuehle oder Gedanken. Bei der

Deutung ist auch wichtig, ob der Kampf gewonnen oder verloren wird. Im

ersten Fall koennen durchaus positive Gefuehle geweckt werden, im zweiten

Fall- und das ist gerade der von Stiller- ist die Sache frustrierend und

kann zum Ausloeser fuer Fluchttraeume werden.

Stiller fuehlt sich als einer, der versagt hat, er will eine

Vergangenheit abschuetteln, die fuer ihn voll negativer Erinnerungen ist.

Sein Versagen empfindet er in dreifacher Hinsicht: als Kaempfer, als

Liebender, als Kuenstler. Als Kaempfer hat er in Spanien versagt, wo er als

Freiwilliger am Buergerkrieg teilgenommen hat. Dass er nicht auf die Feinde

geschossen hat, obwohl er den Befehl und die Moeglichkeit dazu hatte, kann

er sich selber nie verzeihen.

Hier werden zwei Realitaeten miteinander konfrontiert:einerseits ist

es die Wirklichkeit, die mit dem Spanienerlebnis verbunden ist:

"Ich hatte einen Auftrag, ich hatte mich sogar darum beworben, ich

hatte den Befehl, die Faehre zu bewachen, einen vollkommen klaren Befehl.

Was weiter! Es ging nicht um mich, es ging um tausend andere, um eine

Sache. Ich hatte zu schiessen. Wozu war ich in Spanien? Es war ein Verrat."

(Frisch 1992: 268)

Andererseits ist es die fiktive Realitaet, die der wiederkehrende

Traum vom Gewehr, das nicht losgeht, beinhaltet: "ich moechte schiessen,

aber es schiesst nicht." (Frisch 1992: 269)

Von diesem Erlebnis kommt er innerlich nicht los, es wird in einer

Gesellschaft erzaehlt, in der er seine spaetere Frau Julika kennen lernt,

und ebenso erzaehlt er es spaeter Sibylle, als sie ihn zum ersten Mal in

seinem Atelier besucht. Waehrend Julika gar nicht versteht, welche

Bedeutung dieses Erlebnis fuer ihn hat, macht ihn Sibylle darauf

aufmerksam, dass er etwas auf sich genommen habe, was seinem Wesen gar

nicht entsprach. "Wer verlangt von dir, dass du ein Kaempfer bist, ein

Krieger, einer, der schiessen kann?"

(Frisch 1992: 269), fragt sie ihn. Sie sieht, dass Stiller sich selbst

ueberfordert hat, dass er schon damals etwas anderes sein wollte, als er

eigentlich war. "Er leidet an der klassischen Minderwertigkeitsangst aus

uebertriebener Anforderung an sich selbst" (Frisch 1992: 252), so

beschreibt der Tagebuchschreiber im Rueckblick den verschollenen Stiller.

Die Niederlage in Spanien, als die Stiller dieses Erlebnis immer wieder

bezeichnet, ist einer der Hauptgruende fuer seine

Minderwertigkeitskomplexe. Natuerlich betreffen diese Komplexe auch den

erotischen Bereich, und den immer wiederkehrenden Traum vom Gewehr, das

nicht losgeht deutet Stiller selbst als "typische(n) Traum der Impotenz"

(Frisch 1992: 269). "Schiessen" ist in diesem Zusammenhang ambivalent-

woertlich Bereitschaft jemandem das Leben zu nehmen, metaphorisch

Bereitschaft jemandem das Leben zu geben. Das Gewehr ist demzufolge in der

Semantisierung durch Stiller woertlich Mordinstrument, metaphorisch

Sexualorgan. Stillers Angst bleibt rein psychologisch. Er will "nicht

geliebt werden"(Frisch 1992: 269) und hat "eigentlich Angst vor Frauen"

(Frisch 1992: 254), doch "immer war da ein Weib " (Frisch 1992: 311). Er

kompensiert die Angst und "erobert mehr, als er zu halten vermag" (Frisch

1992: 254).

Zwar ist Stiller nicht impotent, aber es gelingt ihm nicht, eine

dauerhafte Bindung zu einer Frau zu finden. Die Ehe mit seiner Frau Julika

wird fuer ihn zu einer Probe, an der er scheitert. Seine Schuldgefuehle

werden dadurch verstaerkt, dass Julika krank wird und in ein Sanatorium

nach Davos gehen muss. Zwar hat er inzwischen in Sibylle eine Frau

kennengelernt, deren heitere, offene Art ihm eine weniger problemgeladene

Beziehung und Bindung moeglich erscheinen laesst, jedoch ist sein

Verhaeltnis zu ihr wiederum durch seine Schuldgefuehle gegenueber Julika

belastet, und so wird sein Versagen als Liebender zum weiteren Anlass

seiner Flucht nach Amerika.

Der dritte Punkt, in dem er sich als Versager fuehlt, ist sein Beruf,

die Bildhauerei; ob zu Recht oder nicht, kann aus dem Text nicht eindeutig

erschlossen werden. Mr. White schreibt darueber: "Wie begabt er nun

eigentlich war, ihr verschollener Stiller, daruber gingen die Meinungen

offenbar von Anfang an auseinander, und es gab Leute, die ihn nie fuer

einen Kuenstler hielten" (Frisch 1992: 91). Sibylle dagegen ist beim

Blaettern in seinem Skizzenbuch "bestuerzt im Gefuehl, sich in einen

Meister verliebt zu haben" (Frisch 1992: 263) Stiller selbst jedenfalls

glaubt, in der Kunst versagt zu haben, und zerschlaegt ja auch,

heimgekehrt, bei einem Lokaltermin alle seine Werke. Allerdings darf man in

dieser Handlung nicht nur eine Auseinandersetzung mit seiner Kunst sehen,

er versucht vielmehr ein letztes Mal seine Vergangenheit zu zerschlagen, um

von ihr frei zu werden.

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